journal_article_header

Der Brand Buddy:
Du fragst, er antwortet.

Kim Wengler studiert Wirtschaftspsychologie an der Hochschule für angewandtes Management in Erding. Er schreibt seine Masterarbeit über Employer Branding in KMUs. Im Zuge der Recherche stellt sich ihm eine grundlegende Frage…

„Eine der Kernbotschaften des Employer Brandings ist, dass für eine erfolgreiche Arbeitgeberpositionierung die „weichen Faktoren“ eine weitaus wichtigere Rolle spielen, als die harten, sprich ökonomischen Faktoren (Gehalt etc.). Und weiche Faktoren auch langfristig gesehen für Zufriedenheit sorgen (siehe Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg).

Diese (für meine Begriffe plausible Aussage) steht jedoch in Konflikt mit den Ergebnissen der Universum-Studie, welche den attraktivsten Arbeitgeber in Deutschland ermittelt. Letztere kommt zu dem Ergebnis, dass Studenten und junge Absolventen überwiegend Wert auf rationale Anreize legen, wie hier zu sehen ist.

Schaubild zeigt die Top 5 Treiber der Arbeitgeberattraktivität.

Hast Du dazu eine Theorie bzw. eine Erklärung? Könnte das vielleicht daran liegen, dass man sich rationale Faktoren einfach besser vorstellen kann, da es sich hier um messbare Kennzahlen handelt?

Über eine Rückmeldung würde ich mich sehr freuen.“

So antwortet der Brand Buddy

Hallo Kim,

gerne nehme ich mich Deiner Frage an. Das hast Du gut beobachtet! Oberflächlich betrachtet ja, aber genau genommen steht beides nicht in Widerspruch.

Arbeitgeberattraktivität ist nicht Arbeitgebermarke

Bitte nicht verwechseln – so wie es viele tun, die sich nur am Rande mit Employer Branding beschäftigen: Arbeitgeberattraktivität (AGA) ist ein viel größeres Konstrukt als Arbeitgebermarke (AGM). Die Arbeitgebermarke ist ein Steuerungsinstrument für Arbeitgeberattaraktivität. Es gibt allerdings zahlreiche andere Faktoren, die auch in die AGA einzahlen. Dazu zählen alle harten Faktoren der Arbeitgeberqualität (rationale Benefits), von Sozialleistungen über flexible Arbeitszeitmodelle bis hin zu, Standort. Diese Faktoren rangieren heute fast ausnahmslos unter Hygienefaktoren (Herzberg).

Markenbildung, ergo auch Arbeitgebermarkenbildung, funktioniert immer emotional.

Hauptfunktionen der Markenbildung: Profilieren, differenzieren. Da sich alle guten Arbeitgeber in den rationalen Benefits, also im Leistungsportfolio, immer mehr angleichen – schlicht um wettbewerbsfähig und zeitgemäß zu bleiben (Stichworte Digitalisierung, Gen Y, neue Arbeitswelten usw.) – können sie sich über diese Faktoren nicht differenzieren.

Differenzierung und Profilierung unter Arbeitgebern funktioniert fast ausschließlich und am besten über Identität und Unternehmenskultur. Hier setzt AGM an. Wer sich über die sog. emotionalen Benefits des Arbeitgebers positioniert, hat die Chance, sofern gut gemacht, sich zu unterscheiden.

Wann ist man Arbeitgebermarke geworden? Faustformel: Wenn etwa 70% der für sie relevanten Bezugsgruppen ein relativ einheitliches Vorstellungsbild von Dir als Arbeitgeber haben, und wenn sich dieses Bild ein Stück weit differenziert von dem Bild, das diese von anderen relevanten Arbeitgebern haben.

Du merkst, das funktioniert nicht, indem man in die Arbeitgeber(marken)positionierung (oder auch EVP genannt) all jene Faktoren schreibt, die von Universum, Trendence & Co. jahrein, jahraus als „Treiber der Arbeitgeberattraktivität“ ausgegeben werden. Schließlich ist die EVP Grundlage, Herz und Kern jeder Arbeitgebermarkenbildung, also des Employer Brandings.

Da ist es wieder: AGA ungleich AGM.

Vorsicht vor
Bewerberpräferenzmustern

Noch immer tun das leider viele. Das begann 2006, als der Druck größer wurde. Die Arbeitgeber wollten wissen: Welche Präferenzmuster hat ein Ingenieur bei der Arbeitgeberwahl? Was macht einen Arbeitgeber für BWLer attraktiv?

Natürlich lasen alle die gleichen Studien von Universum und Trendence. Und schwupps, schrieben sie alle die gleichen Buzzwords in ihre EVP. Ob sie es nun wirklich überdurchschnittlich vorweisen konnten oder nicht.

So wurden gerade die DAX 30 zu eierlegenden Wollmilchsäuen, die keinen Unterschied machen und Bewerber nicht wissen lassen, ob sie zu ihnen gut passen oder nicht – die meisten bis heute.

Ein Horror für jeden Markenexperten. Und wieder: AGA ungleich AGM. Was einen Arbeitgeber generell attraktiv macht, also was Universum listet, ist längst Grundhygiene und macht aus ihnen keine Marke. Kein Profil, kein Unterschied.

Die Orientierung nach Präferenzmustern ist ohnehin sehr trügerisch.

Universum & Co. klassifizieren nach Berufsgruppen. Daneben gibt es viele Aussagen zu Präferenzmustern von Generationen wie Y oder Z. Das ist für die operative Arbeitgeberkommunikation gut zu wissen, aber keinesfalls inhaltliches Beef für die Definition Deiner EVP.

Denn all diese Präferenzen, die Universum und Trendence melden, sind zeitgeistigen Einflüssen unterworfen. Heißt: Kaum kommt die Wirtschaftskrise zurück, kaum gibt es wieder Euro-Angst, wist Du erleben, dass Arbeitsplatzsicherheit in den Top-3 der Studien auftaucht. Würde man das jetzt in die EVP schreiben? Um es etwa nach 18 Monaten wieder über Bord zu werfen, wenn wieder andere Aspekte die „Top-Attraktivitätsfaktoren“ sind?

Natürlich nicht, denn eine Arbeitgeberpositionierung ist, wie jede Markenpositionierung, ein normatives Element der Unternehmensführung. Gleichrangig mit Leitbildern, Unternehmenswerten, Führungsgrundsätzen etc. Alles grundlegende Fundamente Deiner  Organisation, die eine Lebensdauer von 5 Jahren + x haben sollten.

Hinzu kommt, dass eine Aussage, welche Präferenzen ein Jobsuchender hat, auf dieser Basis überhaupt nicht zu treffen sind.

Beispiel: Lebensphasenresultierende Präferenzmuster schlagen berufsgruppen- oder generationenresultierende Präferenzmuster. Der Xer, der spät ein Kind bekommt, will exakt das gleiche von einem Arbeitgeber, zum Beispiel gute Vereinbarung von Familie und Beruf, wie der Yer, der früh ein Kind bekommt.

Und zwar völlig egal, ob er/sie Ingenieur, Jurist oder BWLer ist. Verzeihe mir, wenn ich es so deutlich sage: Die Präferenzmusterstudien kannst Du getrost in die Ablage P geben – sie helfen Dir im Employer Branding so gut wie nicht weiter.

„Vielfältige Aufgaben?“
„Attraktives Grundgehalt?“
„Freundliches Arbeitsumfeld?“

Really?

Das ist das Top-Ergebnis von Universum? Ja, was denn sonst im Jahr 2017?
Um das zu herauszufinden, wurden zig Menschen befragt?

Ganz ehrlich: Ohne ein wettbewerbsfähiges Grundgehalt kriegst Du ohnehin niemanden. „Freundlichkeit“ ist etwas Besonderes? Du liebe Güte – eine absolute Selbstverständlichkeit. Aufgaben, die mich nicht einschläfern? Auch das findest Du in den Top 10.000 der deutschen Arbeitgeber.

Welchen Nutzen haben solche Studienergebnisse? Was kommt als nächstes? Die „Top-Treiber der Arbeitgeberattraktivität“ sind …

 

Kollegen, die morgens grüßen?
Chefs, die nicht mehr rumschreien?

Oder, warte, jetzt habe ich es:

Schreibtischlampen, die angehen.
Papier, das im Drucker liegt.
Toiletten mit Türen.

Wow. Großartig, wo kann ich unterschreiben?

 

Nein. Arbeitgebermarke ist immer individuell. Employer Branding dient dazu, Dein Unternehmen mit seinen ganz spezifischen Vorzügen, Stärken, Schwächen, Ecken und Kanten in den relevanten Arbeitsmärkten zu positionieren.

Es sind Kulturmerkmale und Identitätsaspekte, mit denen Du das erreichst – nichts anderes. So war das schon immer, wenn es um die die Bildung von Gemeinschaften geht. Um emotionale Zugehörigkeit. Um ein Identifikationsangebot. Nichts anderes soll Arbeitgebermarke erreichen und sein.

Ein modernes, wettbewerbsfähiges Framework an harten Faktoren der Arbeitgeberqualität hilft, macht aber keine Arbeitgebermarke. Umgekehrt gilt auch: Wenn Du mit Deiner Arbeitgeberqualität dem Wettbewerb völlig hinterher bist, hilft Dir auch das beste Employer Branding nicht.

Konnte ich Dir damit helfen? Frage beantwortet?

Herzliche Grüße

Dein Brand Buddy

Und Deine Frage an den Brand Buddy?

Der Brand Buddy beantwortet Deine Fragen. Ob Du generell etwas wissen willst oder eine Lösung für ein Thema in Deinem spezifischen Employer-Branding-Fall suchst. Die besten Fragen werden hier behandelt, auf Wunsch natürlich anonym.

Maile Deine Brand-Buddy-Frage an: journal@employerbranding.org